Seiten

Montag, 16. Januar 2017

Was ich euch versprechen kann

Mein geliebter kleiner Minimolekül-Sohn, meine beiden geliebten Bauchmoleküle,

manchmal sitze ich so da und es fließen die Tränen. Sie laufen und laufen und mein Gesicht besteht aus Tränenbächen, so dass ich nichts mehr sehe. Denn ihr wißt ja, dass ich eine Brille trage. Und dann wünsche ich mir einen Brillenscheibenwischer, aber das nur so am Rande.

Warum ich weine, wollt ihr wissen?
Nun, oftmals ist es grundlos und dann doch so völlig tiefgründig. Ich weine zum Beispiel, wenn ich darüber denke, dass dein, mein kleiner, großer Mann, Kinderwagen demnächst verkauft wird. Ich weine um jeden einzelnen Moment, den du in dieser großen Kinderwagenwanne gekuschelt hast, während ich dich mit übersprudelnder Liebe durch die Gegend schaukelte. Ich weine um jeden Atemzug, den du dort machtest. Um deine großen, neugierigen Säuglingsaugen, wie sie mich unzählige Male aus dem Wagen anschauten. Vertrauensvoll. Geliebt.
Ich weine, weil dann wieder ein Abschnitt vorbei ist und das macht mich einfach derzeit sehr verletzlich.

Wenn ich etwas tiefer (was übrigens, ihr könnt euch das schon denken, nicht ohne Tränen geschieht) in meine Gefühlsmaterie einsteige, wofür ich sehr viel Mut benötige, dann weiß ich, dass meine Tränen sehr viel mehr bedeuten als Wehmut. Sie sind im Grunde alles, was mein Mutterherz und mein eigenes Kinderherz fühlen: Angst. Verunsicherung. Panik. Und Liebe. Liebe. Liebe.

Ich könnt euch nicht vostellen, welche tieftraurigen Momente ich durchlebe, wenn ich mir ausmale, dass wir mal ein schlechtes Verhältnis zueinander haben werden. So wie ich es habe. Zu meiner Mutter. Es ist verkorkst. Es ist so überhaupt nicht so, wie es sein sollte. Wie es zwischen Kindern und Eltern, hier Müttern doch eigentlich normal wäre. Nein, es ist kompliziert. Schwer. Und auch, so fürchte ich, nicht mehr heilbar. Ich kann mein Herz einfach nicht mehr öffnen. Ich versuche es, sie gibt sich tendenziell auch ehrlich Mühe, aber das reicht einfach nicht, dass es jemals gut werden wird. Zu oft verletzt. Zu oft am Boden. Und nie ein Wort der Aussprache. Des Fehlereinräumens. Nichts.

Genau dann werde ich panisch. Was ist, wenn sich Fehler wiederholen? So wie sie eure Großmutter bei mir wiederholte, weil sie es von ihrer eigenen Mutter nicht anders kannte?
Reicht es, dass ich mir der schlimmen, der schlimmsten Verletzungen sehr bewusst bin? Reicht ist, dass ich noch heute spüre, wie weh mir Vieles tat. Wie ich mich fühlte? Ich wünsche es mir von Herzen.

Seit zwei Jahren kann ich dir, mein kleiner Sohn bereits eine Mama sein, die du verdient hast. Oft umtreiben mich Selbstzweifel, ob ich denn auch wirklich die beste Mutter für dich bin? Ich versuche dir in jedem Moment, den wir zusammen sind, zu vermitteln, dass du mit jedem Wutanfall, mit jedem "Geh weg, Mama" und mit jedem Fitzelchen deiner bereits jetzt sehr stärken Persönlichkeit PERFEKT bist. Dass du immer bedingungslos geliebt wirst. Dass ich dich immer SEHE. Dir zuhöre. Dich Ernst nehme. Das beispielsweise habe ich nie vermittelt bekommen. Deswegen frage ich mich, ob du das verstehst wie ich es meine? 

Tief in meinem Herzen glaube ich, dass das die Grundlage für eine glückliche Kindheit und für eine gefestigte Persönlichkeit ist: Das Wissen, dass man bedingungslos geliebt wird. Dass man keine Fehler hat (ich hasse es von Fehlern zu sprechen), sondern eben auch schwierige Eigenschaften. Dass aber genau die guten und die komplizierteren Eigenschaften DICH und deine Geschwister zu den Menschen machen, die ihr seid und sein werdet. Und dass auch sie zu euch gehören. 
Ich will euch dieses Vertrauen in euch und eure Fähigkeiten ins Herz pflanzen. Niemand soll euch jemals das Gefühl geben können, dass ihr NICHTS wert seid. Dass ihr zu fehlerbehaftet seid, um geliebt zu werden.
Wenn ich das schaffen sollte, dass ihr im Umgang mit anderen Menschen zu respektvollen, selbstbewussten, erst kleinen und dann großen Menschen werdet, dann habe ich schon sehr viel erreicht.  

Ich kann euch nicht versprechen, dass wir uns niemals streiten werden. Ich kann euch nicht sagen, dass das Leben immer zuckerwattig sein wird. Ich kann euch nicht versprechen, dass ihr niemals Angst und Kummer erleiden werdet. Ich würde dies alles gerne tun, aber dazu kenne ich das Leben gut genug, um euch nicht anzulügen.
Ich kann euch nicht sagen, dass ich immer mit all euren Entscheidungen einverstanden bin. Dass ich euch niemals reinreden werde. Dass ich immer eine unkomplizierte, entspannte Mutter für euch sein werde, auch wenn ich das von Herzen gerne täte.

Einzig, dass ich euch immer lieben und begleiten werde. Dass ich euch bei Angst und Kummer und auch bei Wut auffange. Dass ich wie eine Löwin für euch kämpfen und einstehen werde. Dass ich euch immer und immer wieder sagen werde, dass alles gut wird. Denn das wird es. Immer. Egal wie lange es dauert. Und euch immer in die Arme schließen werde, wenn ihr das möchtet, das ist das, was ich euch versprechen kann.


Ich liebe dich. Und dich. Und dich.

3 Kommentare:

  1. Willkommen kleine Bürgerin
    Im bunten Tal der Lügen!
    Du gehst dahin, du Lächlerin!
    Dich ewig zu betrügen

    Was weinest du? die Welt ist rund
    Und nichts darauf beständig.
    Das Weinen nur ist ungesund
    Und der Verlust notwendig.

    Einst wirst du, kleine Lächlerin!
    Mit süßerm Schmerze weinen
    Wenn alle deinen treuen Sinn
    Gott! zu verkennen scheinen.

    Dann wirst du stehn auf deinem Wert
    Und blicken, wie die Sonne
    Von der ein jeder weg sich kehrt
    Zu blind für ihre Wonne.

    Bis daß der Adler kommen wird
    Aus fürchterlichen Büschen,
    Der Welten ohne Trost durchirrt –
    Wie wirst du ihn erfrischen!

    Jakob Michael Reinhold Lenz, 1751-1792

    Auf Juliette, die zweite Tochter von Goethes Schwester Cornelia. Der Adler ist nicht gekommen, nicht zu Juliette, nicht zu Cornelia und nicht zu Lenz. Und das, obwohl das Genie Goethe ihnen allen ziemlich nahe stand.
    Doch worauf kommt es letztlich an?
    (Mehr dazu: https://apaged.wordpress.com/2014/12/16/willkommen-kleine-burgerin/)

    Und noch ist nicht das letzte Wort zwischen Ihnen und Ihrer Mutter gesprochen.

    AntwortenLöschen
  2. Liebe Penny,

    ich drücke dich erst einmal ganz, ganz fest. Ich bin mir so sicher, dass du eine liebende Mutter bist, die all ihren drei Mäusen immer das Gefühl geben wird, dass sie geliebt werden - trotz ihrer Schwächen, Wutausbrüche und all der Dinge, die sie im Laufe ihres Lebens anstellen. Auch wenn du mal böse auf sie bist oder sie auf dich. Ihr alle werdet wissen, dass eure Liebe zueinander riesengroß sein wird. Alleine, dass du dich selbst reflektierst und diese Ängste hast, zeigt mir, dass du eine gute Mutter bist. Aber auch all die liebenswerten Blogbeiträge voller Emotionen, egal ob sie zum Lachen oder Weinen sind, zeigen, welch einfühlsamer, liebevoller und warmherziger Mensch du bist. Du bist die beste Mama der Welt für deine drei Racker!!!

    Hör auf an dir zu zweifeln. Du bist unwerfend - als Mensch und als Mama. Das weiß ich, auch wenn ich dich eigentlich nicht kenne. ;-)

    Es grüßt dich von Herzen deine Schwani. ♥♥♥

    AntwortenLöschen
  3. Liebe Penny,

    Du fragst: Reicht es, dass ich mir der schlimmen, der schlimmsten Verletzungen sehr bewusst bin? Reicht ist, dass ich noch heute spüre, wie weh mir Vieles tat. Wie ich mich fühlte? Ich wünsche es mir von Herzen.

    Ja, das reicht. Es reicht. Ich glaube, Du kannst das selbst beurteilen. Ich handle seit 4 3/4 Jahren so, mit den eigenen Verletzungen vor Augen, also nochmal zwei Jahre länger als Du, und es wird immer deutlicher: Es reicht. Es reicht bis zum Himmel.

    Liebe Grüße
    Mo

    AntwortenLöschen