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Sonntag, 30. März 2014

Herzkompass/Jugendmoleküle

"Hey, heute ist wieder einer der verdammten Tage, die ich kaum ertrage und mich ständig selber frage, warum mich alle diese Gefühle plagen"

Während ich diese Zeilen schreibe, stehe ich übrigens rappend um eine brennende Mülltonne. Dabei trage ich einen meiner grauen Vespa-Hoodies, lässige Turnschuhe und habe ein Independence Skateboard unterm Arm. 
Okay, letzteres ist wirklich erstunken und erlogen. Erwischt. Aber der Rest, ja der stimmt natürlich. So etwas Abwegiges kann man sich nicht einfach ausdenken. 

Früher bin ich gerne aus reinen Coolnessgründen mit einem echten Skateboard im Eastpackrucksack durch die Gegend gerollert. Aber weil mir das allein nicht als extrem lässig genug erschien, habe ich zusätzlich noch meinen "Affen mit Ohr ab" mitgenommen. Und das ging so:
Rucksackreißverschluss etwas auf, Affenkörper rein, Reißverschluss wieder zu und Affenkopf oben aus der Öffnung schauen lassen. Dann Rucksack auf den Rücken. Das Skateboard nehmen und es waagerecht hinterm Rücken durch die Rucksackträger stecken, sodass es links und rechts sichtbar war. 
Aber selbst das war nicht stylisch genug.  
Es folgte ein Halstuch (die blauen oder roten oder grünen, mit den weißen Mustern!), welches ich wie ein Bandit als Mundschutz trug. Das war allerdings nicht nur als Modeaccessoires dienend, sondern hielt auch tatsächlich die Kälte etwas aus dem Gesicht. 
Und dann ging die Fahrt los. Manchmal ohne richtiges Ziel. Ich sagte meinen Eltern meist:"Ich drehe noch ne Runde" und sie ließen mich mit meinen durchgeknallten 16 Jahren gewähren. 
Einmal musste ich einer Umleitung folgen. Aber irgendwie stresste mich das ziemlich, weswegen ich dann irgendwo im Nirgendwo stand. 
Es war das Zeitalter der Telefonkarten und Telefonzellen und als ich eine fand, rief ich meine Eltern an. Es war gegen 23 Uhr. 
Ich erklärte meiner Mutter im verzweifelten Ton, dass ich mich verfranst habe. Ich hörte schon im Hintergrund meinen Vater toben "Was hat sie jetzt schon wieder gemacht?", "Wo steckt sie denn ungefähr?"
Dann kam er ans Telefon und meinte, ich solle ihm mal sagen, wo ich denn so ungefähr wäre. 
Der war vielleicht witzig. Wenn ich das gewusst hätte, was wäre der Grund gewesen meine Eltern nachts in Panik zu versetzen? Das erklärte ich ihm auch, mittlerweile in meiner pubertär gereizten und leicht arroganten Art. 
Er wollte das nicht verstehen und wurde immer saurer und lauter: "Penny!!!!! IST da IRGENDWAS? Ein Straßenschild? Ein Laden?"
Ich ließ den Hörer hängen, ging genervt einige Schritte von der Telefonzelle weg und sah nichts. "Nöö! Nichts! Da ist nichts! Wie komme ich jetzt nach Hause?"
Das fand mein Vater nun nicht mehr ein Fünkchen witzig. Vermutlich war es eine Mischung aus Sorge "Tochter allein verloren in der bösen Welt" und "Was zum Teufel denkt sie sich soll ich jetzt machen, wenn sie NICHTS sagt!"
Jedenfalls wurde das Gespräch dann auch prompt beendet; Telefonkarte leer!
Okay. Plötzlich fuhr ein Linienbus an mir vorbei. Ich hechtete auf meine blaue Vespa und klemmte mich an den Bus in der Hoffnung, dass er mich irgendwie zu einem bekannten Busbahnhof führen würde. Und das tat er und so kam ich letztlich Zuhause an. 
Meine Schwestern waren beide wach und meine Eltern beide verschwunden. "Die sind los, jeder in sein Auto, um dich zu suchen!"
Nach einer weiteren Stunde waren beide wieder zurück. 
Mein Vater war weiterhin stinkwütend, meine Mutter nur noch froh, dass ich zurück war. Sie lachte sich mittlerweile über meinen Orientierungsnichtsinn kaputt, während mein Vater nur ständig wiederholte:"UND da ruft sie an und sagt nichts. Gibt keinen Hinweis!"

Mein Vater war zwar wütend, aber er hat sich wie meine Mutter auf den Weg gemacht um mich zu suchen. Und letztlich konnte er nur nicht richtig zeigen, dass er Angst hatte und sich Sorgen machte. Genauso wenig wie er nicht zeigen konnte, dass er erleichtert war, als ich wieder Zuhause war. 
Heute verstehe ich das. Manchmal. 

Wenn ich mich heute verfahre, könnte ich es einfach haben und meine Google App befragen. 
Aber der einfachste Weg ist nicht der, der mir Sicherheit gibt.  
Statt mich der App zu bedienen, rufe oder spreche ich meinen Herrn Herzmolekül an. 
Und auch wenn er fragt, wo ich denn stehe und ich ihm wieder keine richtige Antwort geben kann, wird er mich suchen und finden. Wird er mich sicher nach Hause bringen. Ganz bestimmt. 
Und ich wünsche mir nichts mehr, als dass ich - trotz so schlechtem Kompass - sein Wegweiser bin, an dem er sich orientieren kann und immer nach Hause findet! 


Ich packe jetzt meinen Koffer und wünsche euch allen einen Kompass-Menschen für alle verwirrten Moleküle zur Seite! 

Penny

P.S.: Gutes Spiel, besonders Herr Prödl! Yiiiihaaa! 😃





2 Kommentare:

  1. Vom Orientierungsnichtsinn kann ich ebenfalls ein Lied singen. In jeder Hinsicht.
    Ich stehe irgendwo da draußen, keine Ahnung wo und suche verzweifelt nach dem Heimweg - ohne meinen Kompass-Menschen. Er kann mich einfach nicht finden. Nicht mehr. Hätte ich doch nur eine Leuchtrakete dabei.

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  2. Vielleicht stört auch gerade einfach nur ein blöder Magnet deinen Kompass-Menschen? Dann müsstest du den entfernen (lassen) und schon wäre eure Verbindung wieder ohne Störungen. Einfacher geschrieben, als getan, denn solche Magneten stören meist getarnt. Aber wenn du daran glaubst, wirst du ihn entdecken. Andernfalls machst du aus deinem Kompass-Menschen einen Echolot-Menschen. Das kann wahre Wunder auf der Suche nach dir bewirken. So oder so: Lasse dich finden! Und dann wirst du auch gefunden!
    Das wünsche ich dir.
    Penny

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