Ich fand ihn lustig, mache ich mich doch über die Ashley-Samantha oder Ernö-Cedrick an Bord Aufkleber immer recht gerne lustig.
Mal eine Frage?
Was soll es bringen, wenn gruselige auf's Auto geklebte Kindernamen spazieren fahren? Sollte dies als Abschreckung dienen: RESPEKT! Ernsthaft. Mich schreckt es wahrhaftig ab, wenn ich derart geschmacklose Namen lese, sodass ich automatisch Bilder in meinem Kopf habe, wie dazugehörige Eltern wohl sein mögen.
Denn zweifelsohne bin ich weit davon entfernt, in diesen Momenten nicht ziemlich tief in den Stereotype-Schubladen zu kramen. Zu mutmaßen. Oder auch einfach spaßeshalber darüber zu sinnieren, ob die Eltern von Chiara-Zöe vielleicht wohlmöglich ziemlich einen an der Waffel haben?
Kann ja sein.
Wir wissen es nicht.
Was ich persönlich aber weiß, ist, dass es diverse Schüler gibt, von denen ich jetzt schon nach einer Woche Schule behaupten kann: Jepp, komplett gestört. Da funktioniert was nicht richtig.
Bloß was genau für multiple Störungen im jeweiligen "Kindlein" vorzufinden sind, das wage ich jetzt noch nicht definitiv festzulegen.
Es verhält sich demnach so, dass ich einen Schüler vorfinde, der mit dem Rucksack auf dem Rücken im Klassenraum sitzt und ich versuche ihn zu überreden, den Rucksack doch im Sitzen endlich abzulegen. Als Antwort bekomme ich im brüllenden Ton, man wisse ja schließlich gar nicht, ob man hier richtig sei, sodass ein Ablegen als nicht lohnenswert erachtet wird. Ich ziehe meine Stirn kraus, versuche dem Schätzchen zu entlocken welchen Abschluss er denn bereits erlangt habe, was sich aber als unlösbar darstellt, denn er hat keine Ahnung.
Auch weiß er nicht, wo er sich überhaupt angemeldet hat und letztlich ist er entrüstet, denn ich gehe ihm mit meiner Fragerei am frühen Morgen ziemlich auf den Geist. Er mir langsam auch. Aber das interessiert ihn nicht und bleibt weiter seelenruhig mit seinem Rucksack sitzen.
Es bleibt keine Zeit mich weiter mit ihm zu beschäftigen, steht doch plötzlich und unerwartet der nächste Kandidat vorne neben mir am Pult und begrüßt mich mit den Worten: "Frau Herzmolekül, ich bin zu spät, aber ich habe Beweise!"
Meinen Einwand, dass ich dafür bloß auf die Uhr schauen muss, um den Beweis zu haben, wird ignoriert und schon jubelt er mir sein Smartphone unter die Nase und zeigt mir zwei Fotos, wie er wagemutig an einer S-Bahn-Haltestelle steht und sagt: "Hier erkennt man, dass die Bahn nicht kam!"
Nun ja, leider bleibt auch hier keine Zeit mich ihm weiter zu widmen, denn schließlich steht schon der Bewährungshelfer eines weiteren LÄMMCHENS zum Gespräch vor der Tür. Hier werde ich nicht näher drauf eingehen, aber ich verrate euch, das Lamm ist der Wolf im Schafspelz. Ganz ehrlich. So einen Bewährungshelfer bekommt man wirklich nur, wenn man sich richtig gut mit dem Gesetz versteht.
Nach diesen aufregenden Geschehnissen wird es Zeit für einen Klassenwechsel. Nur verrückt ist ja auch auf Dauer öde.
Dann doch bitte noch etwas verrückter. Und unverschämter.
Hier treffe ich also auf eine Horde Testosteronmonster im besten Alter: 16jährige Jungs!
Wir bilden fröhlich Präsenssätze, entdecken zusammen unterschiedliche Verben und setzen noch richtig Einen drauf, indem wir auch noch davon den Infinitiv bilden.
Alles entspannt.
Naja. Bis auf die 16jährigen. Die sind unentspannt. Bilden Sätze wie "Sie blässt...einen Luftballon auf!" und schreien sich weg.
Nebenbei kollabiert mir hinten links fast ein Schüler, der mir erklärt er habe keinen Kreislauf mehr. Biologisch auf zack wie ich bin, beruhige ich ihn, dass er den Kreislauf an sich nicht verlieren könne, klopfe ihm auf sein klatschnasses T-Shirt (und bin vor Ekel, was da jetzt an Schweißviren an meiner Hand kleben mag, beinahe erstarrt!) und geleite ihn zusammen mit einem Schüler ins Sekretariat auf die Krankenliege.
Bei meiner Rückkehr fordere ich einen der ganz großen Kotzbrocken auf noch einen Satz zu bilden.
"Die Lehrerin hat einen Knall!", liest er vor und schaut mich provozierend an.
Professionell bitte ich ihn nun das Verb und den dazugehörigen Infinitiv zu nennen!
Er funkelt mich an und antwortet: "Knall ist das Verb. Knallen der Infinitiv!".
Ich nutze die Steilvorlage und erkläre ihm: "Den einzigen Knall hast auf jeden Fall du, denn du weißt leider nicht was Verben sind."
Nach Stundenende bitte ich ihn noch zu bleiben. Auf meine Frage, warum er so ungehobelt sei, bekomme ich wütend entgegengebrüllt, er habe schließlich einen scheiß Tag. Und dann wäre das so.
Noch ist der Schultag nicht um, und ich gebe ihm noch eine Chance zu einem guten zu werden.
Ohne besondere Vorkommnisse in den weiteren Stunden, kehre ich also in meine letzte heutige Unterrichtsstunde ein.
Dort sitzen heute einfach fünf neue Schüler, die erst jetzt den Weg in die Schule gefunden haben.
Wie auch immer, beim Besprechen einer Aufgabe, die gerade einer der Schüler liest, herrscht wildes Durcheinandergebrabbel. Ich mahne zur Ruhe. Das interessiert nicht, denn es scheint elementarer zu wissen wie spät es nun sei. Da ja niemand dazu in der Lage ist seine protzige nachgemachte analoge Markenuhr zu lesen, wird solange herumgefragt, bis irgendwer eine digitale Uhrzeit auftreibt: "15 Minuten vor halb drei!"
Mittlerweile schimpfe ich und nenne die Störenfriede, die nach Stundenende noch im Klassenraum bleiben sollen.
Es entsteht ein noch lauterer Tumult: "Lan, isch schwör, nur weil du die Zeit wissen musst, muss isch bleiben. Isch mach disch gleich kalt" brüllt einer der heute frisch Eingetroffenen: Ein schlaksiger Bursche in Fliegerseidemontur.
Es klingelt und ich lasse die Anderen gehen. Es versammelt sich die zuvor ertappte Labergang um mein Pult. Der Jogginganzugjunge gebärdet sich weiterhin aggressiv. Ich spreche ihn darauf an, dass er seine aufbrausende Art zügeln müsse.
Er schwört. Das kann er ziemlich gut: "Isch schwör isch bin nicht aggressiv. Das haben jetzt alle Lehrer seit der Grundschule gesagt. Isch bin das aber nisch. Isch schwör, das ist nur meine Art! Wenn sie misch länger kennen, merken sie das isch es nisch bin. Isch kann nichts für meine Art!"
Mit den Worten "Wenn du so weiter machst, werden wir beide gar keine Gelegenheit mehr haben uns näher kennen zu lernen", scheuche ich die Bande raus.
Für heute reicht's! Definitiv!
Ich habe kein Blag mit scheiß Namen im Auto. Dafür habe ich 124673156 Blagen mit mal mehr und mal weniger scheiß Verhaltensweisen in den Klassen.
Gibt es dafür auch einen Autoaufkleber?