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Freitag, 28. April 2017

Our lives are made in these small hours - These little wonders

Heute sollte also der Tag sein. Der Tag, an dem wir ins Auto stiegen und ins Krankenhaus fuhren. An dem wir euch in dieser Welt begrüßen wollten. Sehnsüchtig erwartet. Schon jetzt geliebt bis in eure winzigen Zehenspitzen. 

Als wir euren kleinen-großen Bruder gemeinsam in die Kita brachten, war mir zum Weinen. Nichts würde mehr so sein wie vorher. Nie mehr würde ich mein kleines Minimolekül als Einzelkind aus der Obhut der Kita abholen. 
Es war ein mulmiger Abschied. Ich wollte nicht von meinem Kind getrennt sein. Ich wollte ihn bei mir, bei uns, haben. 
Auch der kleine Kerl spürte all die neuen Dinge, die da warteten und war irritiert. Ich wollte ihn gar nicht loslassen und hielt ihn so fest. Und er mich. Wir hielten uns alle drei und mir war plötzlich so schwer ums Herz. Da standen wir nun im Vorraum dieser Kita und würden uns gleich auf dem Weg machen in unser neues Leben zu fünft. 
Im Auto weinten wir beiden supitaffen Eltern hemmungslos. Anspannung und Sorge um euren Bruder, wie er das wohl verpacken würde (da gingen wir noch total euphorisch von einer Nacht aus) von uns getrennt zu sein, mussten raus. Sollten nicht unausgesprochen den Weg zum Krankenhaus begleiten. 
Wir sagten uns gegenseitig, dass alles gut ist und werden würde und fuhren los. 

Im Krankenhaus angekommen sollte ich sofort in den Kreißsaal. Da wir die Anmeldung zur Geburt im Vorfeld bereits gemacht haben, wurde ich ans Ctg geschlossen. Toc-Toc, Go-Gong. Eure Herzen, diese schlagenden, wild galoppierenden Herzen in meinem Bauch, die werde ich niemals vergessen. Ich wusste sofort, wo von euch welches Herzchen zu finden war und so verging eine lange Zeit des Aufzeichnens.
Irgendwann gegen Mittag (wir waren um 9 Uhr in der Klinik) konnten wir ein Familienzimmer beziehen. Um 14:30 Uhr sollte ich erneut zum Ctg und zur ersten Einleitungsminiportionsverabreichung (super Wort *auf_Schulter_klopf) im Kreißsaal erscheinen. 
Dort bekam ich eine Viertel Probetablette. Der MuMu wurde endlich mal von einer Hebamme untersucht und der Befund war nicht überraschend für mich: noch nicht vollständig verkürzt, etwa 1 cm durchlässig, weich. "Sie bekommen Ihre Kinder schon so. Es dauert eben nur etwas!", sagte der Chefarzt. Und tief in mir drin wusste ich, dass das SO defintiv nicht funktionieren würde. 
Die mich bis dahin betreuende Hebamme, die auch letztlich bei eurer Geburt dabei sein würde, hatte gerade ihren dritten Arbeitstag in dem Krankenhaus. Sie war Anfang 20 und so sehr ich mir Mühe gab sie als kompetende Frau zu sehen, so sehr gab sie sich Mühe dieses Bild auf gar keinen Fall abzugeben. Das war anstrengend. Jedes Mal beantwortete sie eine Frage, ging aus dem Raum, kam nach zwei Minuten wieder herein und sagte: "Entschuldigung, ich habe jetzt nochmal nachgefragt. Das wird hier genau anders gemacht als ich es kenne."

Ich bin jetzt nicht so der total verständnislose Mensch und sie war auch wirklich ganz putzig, aber bei so manchen elementaren Dingen ging mir das langsam auf den Keks.
Jedenfalls wurde ich wehenlos auf mein Zimmer geschickt und sollte gegen 19 Uhr wiederkommen (oder eben eher!).
Um 19 Uhr holte ich mir also eine weitere Dosis (1/2 Tablette) ab und wurde wieder nach einem ellenlangen Ctg und unverändertem Befund aufs Zimmer geschickt. 
"Kommen Sie gegen 0 Uhr wieder!"
Gegen 21 Uhr tat sich plötzlich was. Wehen. Von 0 auf 100. Hui. Ich veratmete. Stoppte die Zeit. Alle 2 Minuten. Yippieyeah. Der Wehenknopf am Rücken war wieder aktiviert, man hatte ich diesen krassen Rückenschmerz mal so gar nicht vermisst. Halleluja, das tut weh, also gehen wir mal zum Kreißsaal. 
Dort angekommen war gerade der Schichtwechsel im vollen Gange. Und leider erwischte mich Prinzessin Valium persönlich als nun diensthabende Hebamme. Als erstes erklärte ich ihr die Sachlage. Also, dass da Zwillinge in meinem Bauch wohnen, dass ich bereits die zweite Dosis Tabletten in mir habe, dass ich - verdammte scheisse tut das weeeeeeeeheeeeeeee - gerade herumwehe und veratmen muss und dass es die Anordnung des Chefarztes gäbe, dass mir bei regelmäßigen Wehen unverzüglich eine PDA gesetzt werden sollte.
Alles Dinge, die bei der Patientenübergabe eigentlich die Hebammen weitergeben sollten. Nicht der Patient. Und schon gar nicht eine schnaubende Gebärende. 
Von der PDA wollte die Dame nichts wissen. Es war mittlerweile 22:30 Uhr, ich musste während der Wehen am Ctg hängen und dachte kurzfristig darüber nach (nicht zum letzten Mal) diese ganze Geschichte hier abzublasen und irgendwann in nächster Zeit dann nochmal neu zu starten. 
Stattdessen sollte mein MuMu nochmals getastet werden. Leider war die Hebamme als einzige dazu nicht in der Lage. Sie fummelte unter starken Wehen an mir herum, drehte ihre Hand, ich schrie vor Schmerzen und sie pröckelte weiter an mir herum. Irgendwann gab sie auf, es war alles voller Blut und sagte, dass man da ja gar nicht drankäme. Ich erklärte ihr entkräftet, dass sie die EINZIGE wäre, die nicht drankäme. Das war ihr egal. 
Von da an blutete ich wie ein kleines aufgespießtes Ferkelchen, aber das tat sie mit: "Das war ich aber nicht!" ab. 
Gegen 3 Uhr in der Nacht, nachdem ich Wehe um Wehe veratmete, bekam ich einen Schmerztropf und konnte ein wenig  wegdämmern. Nach 30 Minuten war die Wellnessphase wieder vorbei und es ging wieder los. Dieses Mal in 1 Minuten Abständen. Wieder wollte sie den Befund abtasten. Wieder tat es einfach nur weh, weil sie in den Wehen keine Pause machte, wieder sagte sie dann nach Minuten des Herumpöckelns, dass sie nicht drankäme. Und dann lehnte sie sich an die Tür und sagte mehrmals: "Hmmmm....hmmmm...hmmmmm...was mache ich denn jetzt mit Ihnen...hmmm..."
"Wenn Sie das nicht können, dann holen Sie jetzt sofort den diensthabenden Arzt. Meine Frau hat Wehen. Sie sind nicht in der Lage den MuMu zu ertasten und es soll EIGENTLICH SEIT STUNDEN eine PDA gelegt werden!", tönte euer Vater. Ich war so froh, dass er diesen Part für mich übernahm. Ich konnte einfach nicht mehr und fühlte mich nicht gut betreut. Jemand, der vor einer wehenden Schwangeren steht und minutenlang lautstark darüber nachdenkt, was jetzt zu tun wäre, vermittelte mir kein gutes Gefühl. 
Gegen 4 Uhr ließ sie endlich einen Arzt kommen. Dieser untersuchte mich. 2-3 cm. Für eine PDA zu früh, sprachs und rauschte ab in die Nacht. 
Ooookaaaay, sprach ich und kotzte den Kreißsaal und alles um mich herum voll. Nierenschälchen um Nierenschälchen wurden mir panisch gereicht, ich wehte und kotzte und fluchte. 
Plötzlich verschwand Valia (ich nenne sie jetzt mal so) und zack...eine halbe Stunde nachdem er verschwand, stand der Oberarzt wieder vor mir. "Ihnen geht es ja gar nicht gut. Sie bekommen die PDA. Denn Sie werden noch lange ausharren müssen so wie es aussieht."
Joar, mach mir Mut. Seeeeehr subtil, Freundchen! 
Um kurz nach 5 Uhr morgens saß die PDA. Euer Vater wurde für zwei Stunden zum Schlafen geschickt. Er wollte nicht weg. Ich bestand drauf und schwor ihm, dass er a) in 1 Min vom Familienzimmer im Kreißsaal wäre, falls sich was täte und b) sich nichts täte. 
Er ging und kam sichtlich gerädert gegen 7 Uhr morgens wieder. 

Derweil hatte ich's recht gemütlich. Ich lag im Kreißsaal Nr. 6 in meinem hintransportierten Krankenhausbett und diese PDA...also die war himmlisch. Ich war begeistert und kam wieder zu Kräften. Der Wehenschreiber schlug heftigst aus und ich spürte diese Wehen nicht. Ein Träumchen! Mein Bauch wurde steinhart und ich ließ ihn arbeiten. Ich duselte immer wieder ein und blickte dann ungläubig auf die krass aufgezeichneten Zacken. Wir frühstückten etwas und ich wehte gelassen dabei weiter. "Das ist dermaßen easy", sagte ich zu eurem Vater "so gebäre ich auch sechs Kinder!" 
Mein Urinkatheter wurde regelmäßig geleert und ich - als absolute Urinkatheterfrischlingstante - war auch davon fasziniert, denn man merkt ja gar nicht, dass man Pipi macht. Voll ulkig. 
Irgendwann wurde es nass. Es war gegen 11 Uhr. Die Fruchtblase von dir, unserer erstgeborenen Miniprinzessin war gesprungen. Ich feierte diesen Moment regelrecht ab. Die Nachtschichthebamme war mittlerweile zum Sandmännchen geschickt worden und die kleine "Es ist definitiv SO-ach ne doch nicht" war back in da Kreißsaal. 
Und diese Spaßbremse antwortete auf "Juchu, jetzt MUSS es ja bald losgehen!" "Äh, neeee...das dauert noch!"
Als Motivationschoach wäre sie eine Niete, aber egal. 

Um 13 Uhr kam die Oberärztin um uns alle auf den neuesten MuMu-Stand zu bringen. 
Und ich muss sagen, wir gelangten da an einen Punkt, an dem ich mich wie eine eingeschnappte Leberwurst bockig in die Ecke hätte werfen können. Denn nach nunmehr 14 Stunden Wehen, war der Befund unverändert. Zu allem Überfluss ebbten die Wehen zunehmend ab. Da tat sich nichts und würde sich auch nichts mehr tun. Mir war's klar. Ich war traurig. Beide Babies lagen in idealer Geburtsposition und es tat sich einfach nichts. 
Ich besprach die Sachlage sehr klar mit eurem Papa. Sagte ihm, dass das definitiv auf einen Kaiserschnitt hier hinauslaufen würde. Ich war recht gefasst, er glaubte noch nicht dran. Doch ich hatte das im Gefühl. 
Um 15 Uhr - die Wehen waren mittlerweile gänzlich verschwunden - wurde nochmal abgetastet. Alles beim Alten. Der Obermuftichefarzt kam herein und versuchte mir seeeeeehr schonend beizubringen, dass das mit der natürlichen Geburt nichts werden würde. Ich sagte ihm mehrmals, dass ich das bereits wüsste. Dass ich es akzeptiere. Und dass ich euch einfach gesund im Arm halten möchte. 
Er versuchte mich mit den Worten: "Geburtsstillstand, da können Sie nichts machen, Sie waren jetzt so tapfer..." zu trösten, aber das hätte er nicht gebraucht. Ich war erschöpft und nach fast 24 Stunden realistisch genug, um die Situation so zu sehen wie sie war: aussichtslos. 
Und da ich zum Gebären kam, wollte ich dies auch endlich tun. 
Ich hätte euch liebend gerne - wie euren Bruder - aus eigener Kraft in diese Welt geboren, das versichere ich euch. Aber eure Geburt, so wie sie war, war dennoch wunderschön. So wunderwundervoll. 

Um 17:08 Uhr und 17:09 Uhr hörte ich zwei gellende Babyschreie. Euer Papa war die ganze Zeit an meiner Seite und ich trug tief in mir eine solche Zuversicht und Ruhe, während an mir gerüttelt wurde, dass alles gut ist und hatte keine Angst.
Und dann ward ihr da. Ich bekam euch kurz gezeigt und mir liefen die Tränen. So schöne Kinder. So! wahnsinnig! schöne! Wunder! 
Während ich wieder "zugetackert" wurde, untersuchten euch zwei Kinderärzte. Und als ich wenig später in den Kreißsaal zurückkam, wurdet ihr mir sofort in die Arme gelegt. Wir kuschelten und ich bedeckte euch mit Küssen, umhüllte euch mit meiner unbändigen Liebe und gab euch all das, was man seinen Kindern mit auf die Welt geben möchte, wenn man sie bedingungslos liebt: Die Sicherheit immer für euch da zu sein. 

Ich hoffe ihr spürt an einem jeden Tag, dass ich euch unendlich liebe? Dass ich euch drei jeden Tag immer wieder voller Dankbarkeit betrachte. Dass ich dieses Glück noch immer nicht wirklich fassen kann und mich dennoch dazu zwinge es zu fassen. Denn die Zeit ist zu kostbar, um das nicht zu tun. 

Wir haben nur dieses eine Leben. Ich werde dafür Sorge tragen, dass eures bis zum Rand mit Liebe und Geborgenheit gefüllt sein wird. 

3 Kommentare:

  1. Vielen Dank für deinen Bericht. Habe mich in vielem wiedergefunden. Unsere Tochter ist vor vier Wochen auf sie Welt gekommen, auch im Krankenhaus. Geplant war eine Hausgeburt, aber die kleine Maus machte sich einfach nicht von alleine auf den Weg. Also gab es eine Einleitung. Dachte ich wäre schnell wieder zu Hause bei unserem zweijährigen Sohn, aber nach drei Tagen erfolgloser Einleitungsversuche gab es am vierten Tag einen Notkaiserschnitt. Und ich war am Ende nur froh, dass es nun so schnell ging und ich endlich die Kleine gesund im Arm halten konnte. Unser Sohn war eine Woche ohne mich, hat mich vermisst und nicht verstanden, dass ich wiederkomme. Das war das Schlimmste. Deine Hebammen waren echt der Knaller! Direkt zwei davon hintereinander. Toll, wie du das alles geschafft hast und dein Mann dich unterstützt hat. Und deinen Humor und deine positive Einstellung nicht verloren hast. Habe gelacht und geweint beim Lesen! Alles Gute für euch fünf! Man liest sich��

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  2. Herzlich Willkommen ihr zwei bezaubernden Wunder-Wesen!
    Und euch herzlichen Glückwunsch zur Geburt der beiden Schätze!
    Ich wünsche euch einen guten Start - auch für das Mini-Monekül.
    Alles Liebe für euch! Tine

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  3. Liebe Penny, was hab ich mich gefreut letztens von dir zu lesen! Herzlichen Glückwunsch zur Geburt, zum ersehnten Kennenlernen/ zum Erweitern der wunderbaren Herzmolekülwelt! Und sorry, dass ich noch nicht geschrieben hab... Wirklich!
    Und Respekt dafür, dass du diesen locker-flockigen Geburtsbericht lieferst!
    Wie macht sich das ehemalige Einzelkind? Wie kommst du zurecht?
    Ich fand es mit einem Baby bereits anstrengend und empfinde Hochachtung vor Mehrlingsmüttern! Chapeau!
    Ich sende ganz viele Wünsche, Kraft, Schlaf, Geduld... Liebe schick ich nicht... eure Molekülwelt ist davon zum Bersten gefüllt (genießt jedes neue Erste Mal)
    Willkommen und alles Liebe!

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